Christian Siegenthaler
Arthritis stories
Christian Siegenthaler - ein Bauer leidet 50 Jahre an Morbus Bechterew

Christian Siegenthaler wurde im Februar 1944 geboren und leidet seit über 50 Jahren an Morbus Bechterew, einer entzündlichen Arthritis, die schmerzhaft und lähmend ist, und ungefähr 1% der Bevölkerung trifft. Er war Landwirt, bis die Krankheit ihm die Arbeit so schwermachte, dass er den Beruf wechseln und schliesslich eine IV-Rente in Anspruch nehmen musste. Seine Geschichte ist leider typisch für viele Menschen, die von einer unheilbaren Rheumakrankheit betroffen sind.
«An einem trüben November Samstag 1964 sass ich mit der damaligen Freundin auf dem Kanapee. Da bemerkte ich das erste Mal Schmerzen in meinem Kreuz. Einige Wochen später, ich arbeitete als Meisterknecht im Welschland, konnte ich einen halben Tag nicht mehr laufen. Als Landwirt mass ich diesen Schmerzen keine grosse Bedeutung zu, waren sie doch nur von kurzer Dauer und ich suchte keinen Arzt auf. Oft ist es bei den Bauern so: Wenn eine Kuh nicht frisst, ist das das grösserer Problem, als ein Knecht, der vorübergehend nicht mehr laufen kann. Doch von nun an plagten mich Rückenschmerzen, besonders nachts. Ich bekämpfte die täglichen Schmerzen mit Schmerztabletten, Rheumapflaster, heissen Bädern, Rheumasalbe etc. Aber am besten hat Holzspalten geholfen; wurden doch durch die Anstrengung die Muskeln besser durchblutet. Mein Alltag verlief nun folgendermassen: nachts schlecht geschlafen, meistens im Korbstuhl, zog mir meine Frau am Morgen die Socken an, band mir die Schuhe, und mit einem leisen Fluch auf den Lippen machte ich mich auf zur Arbeit. Wegen meiner Beschwerden musste ich den Bauernberuf aufgeben und arbeitete nun als Berater der Landwirtschaft im Fricktal. Die vielen Gespräche meistens draussen und im Stehen waren oft sehr anstrengend. Aber eigentlich habe ich wegen meiner Rheumakrankheit nie bei der Arbeit gefehlt.
Ich hatte viele liebe Kollegen, die mit Ratschlägen nie verlegen waren. Ein Kollege meinte, Fango und Massage würde mir helfen. So legte ich mich einige Male in den Fango und genoss danach eine wohltuende Massage. Diese Therapie war gut, aber dauerhaft hat es nicht geholfen. Nun kam der Besuch beim Chiropraktiker an die Reihe. Nach einer „gründlichen Untersuchung“ riet mir dieser Spezialist eine Kur auf dem Streckbett. Diese Behandlung war furchtbar. So stelle ich mir als Leser von historischen Romanen die Folter vor. Ein Arzt, dem ich meine Beschwerden schilderte, hatte kein Verständnis für mein Leiden. Nach einer Untersuchung meinte er: “Der Heiland und der Heizer wollen mich noch nicht, mir fehle nichts“!
Und endlich die Diagnose
An den Wochenenden half ich öfters meinem Bruder in der Landwirtschaft. Im Herbst 1982 stellten wir eine Maschine bereit, dabei bin ich beinahe kopfüber in die Jauchengrube gefallen. Und wir stellten verwundert fest, dass mein Rücken steif war. Jetzt fuhr ich zum Rheumatologen. Nach einem kurzen Gespräch meinte dieser Spezialist: „Herr Siegenthaler, Sie leiden an Morbus Bechterew, dies ist eine schlimme, unheilbare Krankheit, es ist aber nicht Krebs.“ Ich war froh, dass meine Schmerzen nun endlich einen Namen hatten.
Nach 18 Jahren Beschwerden begann nun die Therapie: täglich rosarote Kügelchen gegen die Schmerzen. Diese schlucke ich heute noch regelmässig, denn Menschen mit Schmerzen sind oft gereizt, ungeduldig und „uliedig“. Auch machte ich nun mit der Physiotherapie Bekanntschaft. Mit dem „Vierfüsslerstand“ und dem „Katzenbuckel“ lernte ich meinen versteiften Körper etwas zu lockern. In den Wintern besuchte ich einige Male die Reha Klinik in Zurzach. Diese Behandlungen dort waren erfolgreich für mich.
1994 beschloss ich, mich bei der IV anzumelden, mit dem Wunsch zur Umschulung. Der Berater fand, dass eine Umschulung nicht sinnvoll sei, es wäre fast unmöglich, für mich mit 50 Jahren danach eine Stelle zu finden. So wurde ich zum 5O % IV Rentner mutiert. Ab 1. Januar 1997 wurde ich zu 1OO % invalid geschrieben. Diese Umstellung war sehr hart. Aber meine Frau und ich haben, wie viele andere Herausforderungen auch dieses Problem gemeistert.
Durch den steifen Rücken bin ich ein „Gstabi “geworden. Dazu kommen Schmerzen und Atemnot, welche viele Aktivitäten unmöglich machen. Mein Brustkorb kann sich inzwischen nur noch 4 mm beim Ein- und Ausatmen dehnen. Ich habe das Gefühl, dass er mit zwei „Kälberstrick“ zugeschnürt ist und ich dadurch bei der kleinsten Anstrengung keuchen muss, wie nach einem 100 m Lauf. Probleme mit dem Ankleiden, der Körperpflege, und zu wenig Luft, nehmen mir die Lust am Reisen, Wandern und meinem Hobby, der Landwirtschaft und den Waldarbeiten. Da ich früher ein sehr aktiver Mensch gewesen bin, fehlen mir diese Beschäftigungen doch sehr.
Dank meiner lieben und hilfsbereiten Ehefrau, den verständnisvollen Töchtern und Schwiegersöhnen und natürlich den sieben lustigen und teilweise schelmischen Grosskindern ist es mir möglich, doch ein frohes, zufriedenes und dankbares Leben zu führen. Aber es braucht viel Kraft.
Meine Tochter erhielt auch die Diagnose: Verdacht auf Morbus Bechterew. Ich hoffe sehr, dass meine lieben Enkelkinder nicht davon betroffen sein werden. Deswegen unterstütze ich die Forschung, damit wir für unsere Kinder und Enkelkinder schnellere Diagnosen, bessere Behandlungen und vielleicht eines Tages die Heilung für den Morbus Bechterew finden.«